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Sind AI-generierte Personas im UX-Bereich einsatztauglich?

Im evux Lab untersuchen wir Trends, Technologien und Methoden für die Anwendung in unseren Projekten. Zuletzt haben wir uns die Yuh-App angesehen, um zu schauen, wie weit der Fortschritt im einfachen Banking ohne Bank ist. Dieses Mal haben wir uns dem Thema AI-generierte Personas gewidmet, einem Thema, das ja unsere Dienstleistungen möglicherweise angreift. Aber nun: «kannibalisiere dich selbst, bevor es andere tun»! Also los ging es: taugen AI-generierte Personas? Was brauche ich, dass eine AI-generierte Persona sinnvoll wird? Was sind die Vor- und Nachteile von AI-generierten Personas?

Im Human-centered Design und weiteren Vorgehensmodellen nehmen Personas eine zentrale Rolle ein. Personas sind eine Art Stereotyp für eine spezielle Gruppe von Nutzernden oder Kund:innen mit konkreten Charaktereigenschaften und einem bestimmten Verhalten. Sie helfen uns während eines Projekts, uns auf eine bestimmte Benutzergruppe zu konzentrieren und sollen sicherstellen, dass alle Projektmitglieder vom selben reden. Sie unterstützen die Entwicklung von Produkten oder Dienstleistungen auf der Basis ihrer Bedürfnisse und zugrunde liegenden Jobs-to-be-done. Deshalb werden Personas auch in der digitalen Produktentwicklung eingesetzt.

Der Einsatz von Personas geht aber zeitgleich mit einem hohen Ressourcenaufwand einher und die Erstellung benötigt auch eine gewisse Durchlaufzeit. Das kann hinderlich für Projekte werden. Da Personas datenbasiert sein müssen, gibt es viele aufwändige Aufgaben zu bewältigen wie das Recherchieren in vorhandenen Studien und Daten, das Befragen prospektiver Benutzer:innen oder das fortlaufende Validieren. Doch halt… Datenbasiert? Wäre das nicht eine ideale Ausgangslage, um Künstliche Intelligenz einzusetzen, die uns Personas erstellt?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, durchstöbern rAIner und kAI seit einigen Wochen im Rahmen des evux Labs die fachspezifische Onlinewelt. Sie fragen: Sind wir in der Lage, qualitativ hochwertige und im Projekt anwendbare AI-Personas zu generieren? Dabei sind sie auf viele interessante Erkenntnisse gestossen. Wir nehmen es  schon vorweg… Wir sind vom Ergebnis absolut begeistert!

Wie entstehen AI-generierte Personas?

Um eine AI-Persona zu generieren, muss die AI in der Lage sein, die menschliche Sprache zu verstehen, die Daten auszuwerten und abschliessend die Informationen wieder in eine für Menschen verständliche Sprache zurückwandeln.

Verständnis erarbeiten

Wir müssen der Künstlichen Intelligenz grundlegende Informationen zur Verfügung stellen. Dies ist mit einem Kick-off-Meeting zu vergleichen, wo die AI «gebrieft» wird, worum es überhaupt geht. Dabei stellen wir der AI folgende Informationen zur Verfügung:

  • Firma und Tätigkeitsfeld
  • Verwendungszweck der Persona
  • Sektor und Land, wo die Personas verwendet werden
  • Grösste Konkurrenten der Firma
  • Schlüsselwörter die zum Untersuchungsgegenstand passen

Mit diesen Informationen kann die AI arbeiten. Das System basiert dabei nicht (zwingend) auf erhobenen Daten, sondern auf durch NLU (Natural Language Understanding) verarbeitete natürliche Daten – sogenannte soziale Artefakte. Das kann z.B. ein Tweet zum Thema sein oder ein LinkedIn-Post über die Firma. NLU ist die Fähigkeit der AI, die gesprochene Sprache zu verstehen wie ein Mensch. So werden hier die Objekte aus den Grundlageninformationen wie z.B. der Firmenname extrahiert.

Wissen gewinnen

Wenn das grundlegende Verständnis zum Thema gegeben ist, dann beginnt die AI über sogenannte APIs, also über standardisierte Programmierschnittstellen, auf verschiedenen Datenquellen zu suchen. Sie sucht, wo es externe Daten gibt, die mit dem Unternehmen oder dem Geschäftsfeld zu tun haben. So kann die AI die Daten erheben und mit der Analyse für die entsprechende Persona beginnen.  Jedes beteiligte «neuronales Netz» der AI hat bei der Wissensgewinnung eine Aufgabe. Ein Netz sucht beispielsweise die Entität, also einen Suchbegriff oder das Objekt, um das es geht. Ein weiteres sucht die Emotionalität. Die Informationen werden dann zusammengefügt. Die neuronalen Netze funktionieren also wie Gehirnteile – der eine Teil konzentriert sich darauf, der andere auf etwas anderes.

Wissen zugänglich machen

Wenn die Erhebung abgeschlossen ist, beginnt das System mittels NLG (Natural Language Generation) die Personas zu erstellen, also aus der zusammengefügten Information eine für uns Menschen verwertbare Form herzustellen. NLG ist eben genau die Fähigkeit der AI, aus den Informationen wieder eine für den Menschen natürliche Sprache zu generieren und in unserem Fall in die Form einer Persona zu überführen.

Evaluation der AI-Personas

Bereits 24 Stunden nach dem Start erhielten wir unsere erste AI -Persona. Und das Ergebnis… Wie bereits erwähnt, es hat uns aus den Socken gehauen! Doch wer die evux kennt, der weiss, dass wir uns erst zufriedengeben, wenn nicht nur der Bauch, sondern auch das Hirn glücklich ist. 😉 Wir brauchen Evidenz! Deshalb haben wir die Persona auf zwei Arten auf Qualität und Zweckmässigkeit (Adäquatheit) genauer untersucht und bewertet.

Anforderungen an eine AI-Persona

Im Vorfeld haben wir einen Anforderungskatalog für die AI-Persona zusammengestellt. Die Kriterien, welche einen sinnvollen Aufbau einer Persona ausmachen, haben wir anhand der Schnittmenge aus Anforderungen an eine Persona von den Artikeln von Nielsen Norman und usability.gov gebildet. Wie ihr unserem Screenshot aus unserem internen Arbeitstool Notion entnehmen könnt, hat die AI-Persona alle vordefinierten Kriterien vollständig erfüllt.

Alle Grundanforderungen an die Persona konnten erfüllt werden

Vergleich der AI-Persona mit einer «handgemachten» Persona

Um die inhaltliche Qualität der Persona zu prüfen, haben wir bewusst eine AI-Persona generieren lassen, welche wir bereits im Verlaufe eines Projektes auf dem üblichen Weg erarbeitet haben. So konnten wir die Personas direkt vergleichen.

Wir können vorwegnehmen, die AI-Persona konnte uns die Fragen, welche wir im Projekt hatten, allesamt beantworten. Allerdings gibt es einen Unterschied bei den Ergebnissen, welche uns die AI-Persona lieferte. Für die klassisch erstellte Persona, haben wir 2 Personas erstellt, die besonders klar unterschiedliches Verhalten zeigten. Wie ihr im Bild erkennen könnt, ist die AI-Persona im Spektrum unserer Persona 1.  Persona 2 konnte nicht gefunden werden. Unsere Hypothese mit den Informationen aus den Interviews: Persona 2 kann von der AI nicht gefunden werden.

Da die AI zur Bewirtschaftung der Informationen ausschliesslich auf sogenannte «soziale Artefakte» in der digitalen Welt, also z.B. Tweets oder Forenbeiträge, als Datenquellen verwendet, entgehen ihr die Interaktionen im physischen Raum. Eine «Offline»-Persona kann in Gänze nicht beschrieben werden.

Erstaunlich aber war, dass die AI-Persona weitere, sehr interessante Informationen aufgedeckt hat, die wir nicht über die Methodik der Interviews erreichen konnten. Beispielsweise konnte die AI-Persona die Pains und Gains während der untersuchten Customer Journey viel detaillierter wiedergeben, als die klassisch erarbeitete Persona. Wir führen dies darauf zurück, dass bei Interviews Prozessdetails, Stolpersteine und Emotionen im Nachhinein nur schwer ermittelbar sind, nachfolgende Ereignisse jeweils die vorangegangene Emotion beeinflusst und die Gesamtantwort dann eben nicht mehr vollständig auf das Einzelerleben schliessen lässt. In beispielsweise Foren dagegen halten die Personen oft die Emotionen in den Prozessen (Customer Journeys) direkt während oder nach dem Erlebnis oder Touchpoint fest. Und genau dort sucht die AI.

Vergleich der AI generierten Persona mit händisch erstellten Personas

Was sind die Vor- und Nachteile der AI-Persona?

Mit AI-Unterstützung schnellere Resultate

Für uns bietet die AI-Persona mehr Vorteile als Nachteile. Besonders im Bereich Durchlaufzeit schneidet die AI-Persona besonders gut ab. Für die klassische Erarbeitung der Persona in einem Projekt fallen folgende Aufgaben an:

  • Allgemeine Recherche zum Thema
  • Geeignete Interviewpartner finden
  • Interviews vorbereiten, durchführen, codieren und auswerten
  • Persona synthetisieren

All diese ressoucenintensiven Aufgaben sind bei der AI-Persona nicht angefallen. Innert 24 Stunden und mit einem viel kleineren Ressourcenaufwand konnte die AI uns die entsprechenden Resultate abliefern. Was es braucht ist eine knackige Forschungsfrage und gute Seeds für die AI.

Mit der AI-Persona tiefere Erkenntnisse während der Journey

Die AI-Persona lieferte absolut genaue Informationen, die direkt im Projekt einsetzbar wären. Zudem konnten wir dank der AI-Persona auch neue Einsichten gewinnen, besonders was die Tiefe einzelner Aspekte betrifft. Wie bereits oben erwähnt, konnte die AI-Persona besonders die Emotionen während des untersuchten Prozesses sehr genau festhalten. Diese Punkte sind für uns klare Vorteile, welche eine AI-Persona mit sich bringt.

Die AI mit «Offline-Verhalten» zusätzlich füttern

Um das Verhalten und die Emotionen von mehrheitlich in der Offlinewelt stattfindenden Interaktionen zu erfassen, müssen wir auf zusätzliche Untersuchungen setzen. Dieser Nachteil ist «baubedingt» und lässt sich auch nicht ausgleichen. Dafür können wir aber nach der Erhebung der Daten mit Nutzenden und Kund:innen die AI damit «füttern» und ermöglichen ihr so den Zugang zu den notwendigen Quellen.

Darauf dürft ihr euch jetzt bei evux freuen

Wir sind absolut davon überzeugt, dass wir AI-generierte Personas effizient, gewinnbringend und als bereicherndes Element in UX-Projekte integrieren können. Gleichzeitig haben wir die Grenzen der AI-Personas ausgelotet. AI-Personas allein sind nicht ausreichend und durch komplementäre Untersuchungen anzureichern, wenn eine ganzheitliche Sicht entstehen soll.  Besonders die Emotionen, Bedürfnisse und Abläufe der «Offlinepersonas» (die übrigens nicht einfach die «Alten» sind!) müssen wir herkömmlich erheben, aber eben nicht mehr zwingend herkömmlich auswerten. Unsere AI-Lösung «Aino» hilft uns dabei und wir stellen sie jetzt in euren Dienst. Wir können euch also neu Personas in kürzerer Zeit erstellen und das dennoch fallspezifisch und ganz konkret. Selbst für die Ableitung einer höchst wahrscheinlichen Customer Journey taugen die Ergebnisse. Interessiert dich das? Lass uns gemeinsam anschauen, wie wir das bei dir und deinen Fragestellungen einsetzen können!

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