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Wir müssen mehr spielen – ernsthaft!

Wie ist es bei euch? Spielt ihr überhaupt? Es gibt genug Menschen, die von sich behaupten, gar nicht zu spielen. Traurig. Dabei spielen sie, da bin ich sicher. Das kindliche Spiel ist allerdings etwas anders gebaut als das der «Grossen». Spieleforscher bezeichnen alle Aktivitäten rund um Kunst, Kultur und Sport als erwachsene Formen, Fortführungen des kindlichen Spiels. Das Spiel ist für mich der beste Weg in die Effektivität der Vergessenheit von Csikszentmihalyis «Flow». Im Rahmen von Spielen üben wir, in stressfreiem Kontext flexibel auf Neues zu reagieren. Spielen erhöht also unsere Flexibilität im Alltag.

Das gegenständliche Spiel – für Kinder das Hantieren mit Bauklötzen und für Erwachsene das Handwerken, ist dabei besonders effektiv: wir begreifen neue Dinge mit allen Sinnen. Dieses ganzheitliche Begreifen ist auch Teil des sogenannten Serious Play. Wissenschaftliche Grundlage bilden dabei vier Intensionen des erwachsenen Spiels, die man sich zunutze macht, um übergeordnete Ziele zu erreichen:

  1. Verbundenheit,
  2. Emotionaler Ausdruck,
  3. Kognitive Entwicklung, und
  4. Konstruktiver Wettbewerb.

Gerade wenn wir zum Beispiel an Mannschaftsportarten denken – zum Beispiel Fussball –, fallen uns alle 4 Komponenten direkt ins Auge, ob wir selbst Teil der Aktivität sind oder Zuschauer. Aber auch beim Genuss einer Kunstausstellung oder dem Herstellen einer Bastelei lassen sich ganz schnell die 4 Aspekte ableiten, warum und wie man das Ganze angeht.

Was heisst das für Serious Play?

Ziel ist es beim «ernsthaften Spiel», das ganzheitliche Begreifen unbekannter Situationen zu fördern, ein Wissen oder eine Gewissheit herzustellen über bisher nur latent vorhandene Ideen. Das ist beispielweise der Fall bei Produktvisionen oder bei der Zusammenführung von «neuen» Menschen in ein Team mit einer gemeinsamen Vision. Leiten wir die Grundeigenschaften des ernsthaften Spiels von den 4 oben genannten Punkten ab:

  1. Verbundenheit: Um Verbundenheit herzustellen ist es der beste Weg, die Menschen örtlich zusammenzubringen. Ein Workshopformat eignet sich also am besten. (Das lässt sich auch remote erstellen, wenn ausreichend Social Awareness erstellt wird. Awareness-Typen lassen sich hier nachlesen)
  2. Emotionaler Ausdruck: Technokratische Vorgehensweisen sollen hinter affektiven zurückstehen. Wir arbeiten mit Metaphern und legen in «Gebautes», «Vorgeführtes», «Zusammengestelltes» eine Bedeutung.
  3. Kognitive Entwicklung: Das Storytelling – die Geschichte um die Modelle, die Geschichte um das Improvisationstheater oder was auch immer – kann leicht weitergeflochten werden und ganz natürlich muss sich ein Weiterdenken des Gezeigten ermöglichen. Die Bilder im Kopf lernen quasi das Laufen.
  4. Konstruktiver Wettbewerb: Einzel- und Gruppenaufgaben müssen sich ergänzen. Die Hingabe zum eigenen Werk und dem Teil, den der Einzelne zum gemeinsamen Werk beigetragen hat, muss jeder Zeit gewürdigt werden – dafür braucht es einen guten Rhythmus im Workshop und eine entsprechende Atmosphäre, die das fördert.

Wo funktioniert Serious Play in der Praxis?

Es gibt viele dokumentierte Formen des Serious Play. Beispielsweise bei der Ausbildung von Ärzten: Um sie auf Patientengespräche vorzubereiten, wird Improvisationstheater als Methode eingesetzt (Link). Es gibt sogar Konferenzen zu dem Thema, wie die Serious Play Conference. Daran lassen sich bereits die drei Haupteinsatzgebiete von Serious Play ableiten: Ausbilden/Trainieren, Teambuilding/Teamkommunikation und Kreation – denn: «Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr», sagt Platon.

Und wie geht das genau?

Mit den bunten Steinen von LEGO haben wir bereits Erfahrungen für das Serious Play gemacht. Dabei schleusen wir die Workshopteilnehmer durch in der Regel fünf Phasen: (1) sich bauen trauen, (2) Metaphern verwenden und erklären, (3) einen Sachverhalt selbst bauen, (4) etwas gemeinsam bauen und (5) Erkenntnisse und Massnahmen zusammenfassen. Das gute Gefühl nach einem solchen Workshop überträgt sich spürbar auf die Teamdynamik und auch auf die Wahrnehmung von uns Workshopleitern.

  1. Sich bauen trauen: Aus irgendeinem Grund sind viele Erwachsene, vor allem in Führungspositionen, gehemmt, wenn sie unter Peers zu LEGO-Steinen greifen sollen. In der ersten Phase eines Workshops bauen wir also etwas Einfaches, das auf jeden Fall möglich ist und uns schnell zeigt, dass jeder etwas anderes darunter versteht. «Baut eine Brücke» – und jeder Teilnehmer wir eine andere Variante bauen. Und viele werden die Brücke auch nicht wieder zerlegen wollen. Die Bindung zum eigenen Werk baut sich rasant auf. Wie man die Steine richtig und haltbar zusammensetzt, dass Duplo- und LEGO-Steine kombinierbar sind, wie man Platten senkrecht verbaut und vieles mehr macht baukompetent für die nächsten Aufgaben (und auch für das nächste Freestyle-Bauen mit dem eigenen Nachwuchs).
  2. Metaphern verwenden und erklären: Was bei konventionellen Methoden sehr schwierig ist, kommt bei LEGO Serious Play fast gratis mit: das Storytelling. Wenn wir Teilnehmer auffordern, Ihren perfekten Start in den Arbeitstag zu bauen oder etwas Ähnliches, wird es mucksmäuschenstill im Workshopraum. Beim ersten Mal ist das Denken in Metaphern und das Bedeutung Geben nicht so einfach. Kleine Moderatorenimpulse helfen da aber, auch das Abgucken von anderen und einfach einmal loszulegen.
  3. Für den eigentlichen Sachverhalt braucht es eine gute Aufgabe oder Frage, die die Teilnehmer durch das Bauen bearbeiten sollen. Im Vorhinein ist das die aufwändigste Arbeit, diese Aufgabe oder Frage zu gestalten. Im Workshop beantwortet dann jeder Teilnehmer zunächst die Frage selbst mit einem Modell. Das Modell erklärt er oder sie dann den anderen Teilnehmern. Diese wiederum stellen dann ihre Fragen dazu. Es entsteht in den Köpfen eine erste Idee eines gemeinsamen Verständnisses vom Thema.
  4. Das danach folgend zu bauende gemeinsame Modell bildet einen wichtigen Punkt, um zum einen den Teamzusammenhalt zu stärken und/oder ein gemeinsames Bild von der zu lösenden Aufgabe zu bekommen. Aspekte aus den Einzelmodellen, in denen die Teilnehmergruppe einen Mehrwert für das gemeinsame Modell sieht, werden zusammengefügt. Es darf Neues angebaut werden. Die Gruppe entscheidet gemeinsam und wird vom Moderator in der Entscheidungsfindung unterstützt.
  5. Im letzten Teil eines solchen Workshops gehen wir auf traditionelle Methoden zurück. Hier konsolidieren wir auf Post-its, was der Einzelne mitgenommen hat an AHA-Erkenntnissen und welche Massnahmen sie sofort treffen können. Durch Bepunkten wird eine Top-3 bestimmt. Idealerweise ergeben sich an die jeweilige Organisation überführbare Sofortmassnahmen. So wollen wir dazu beitragen, dass die Inhalte des Workshops eben nicht als Spielerei abgetan werden, sondern anschlussfähig an den Alltag der Teilnehmer sind.

Für LEGO Serious Play Workshops muss ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Wenn wir den Teilnehmern zu wenig Zeit in Phase 1 und vor allem Phase 2 lassen, wird das Ergebnis qualitativ leiden. Und gemäss Friedrich Schiller ist auch die Location zentral für einen solchen Workshop: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» Und die Steinezusammenstellung ist wichtig. LEGO hat dafür aber vorgesorgt und bietet spezielle Sets an. Dabei muss aber immer auch an die Logistik gedacht werden. Moderatoren müssen sich also früh fragen, wie sie die Steine zur Location bekommen.

Selbstredend gibt es andere mögliche Vorgehensabläufe und weitere Möglichkeiten, mit LEGO spielerisch Abhängigkeiten, Zusammenhänge usw. zu entdecken. Dabei ist es wie immer: die Fragestellung entscheidet über den Methodeneinsatz. Wir helfen und beraten dabei gern! Wenn ihr interessiert seid an einem solchen Workshop, meldet euch doch bei uns. Und nun noch ein schönes Schlusswort von Friedrich Wilhelm August Fröbel: «Die Quelle alles Guten liegt im Spiel.»

 

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