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Zukunft der Kundenberatung – BRAVE Community Event

Chatbots, Filialsterben, neue Kund:innengenerationen – ist klassische Bankberatung bald Geschichte? Zukunft passiert nicht einfach. Sie wird gestaltet – auch in der Kundenberatung. Und genau das tun wir bei BRAVE.

BRAVE ist die schweizer Community der Verantwortlichen für die Beratungsprozesse und Beratungstools in ihren Banken. Wir tauschen uns informell über Schwerpunktthemen aus und diskutieren das, was im Alltag oft zu kurz kommt.

Am 12. Juni war es wieder so weit: Wir diskutierten gemeinsam mit Expert:innen aus Banken, wie sich Beratung verändert – und was das für Organisationen, Kundinnen und Berater:innen bedeutet.

In den letzten Monaten haben wir zudem den Trendradar erarbeitet, Merkmale bewertet und mögliche Zukunftsszenarien für die Kundenberatung der Zukunft entwickelt. Jetzt wurde es erneut Zeit, die Perspektiven aus der Praxis dazu zu holen:

  • Welche Zukünfte sind überhaupt wünschbar?
  • Welche Konsequenzen hätten sie?
  • Und was müsste sich verändern – oder auch nicht –, um sie Wirklichkeit werden zu lassen?

Ein Nachmittag in angenehmer Atmosphäre bei der Hypothekarbank Lenzburg, unserer Gastgeberin. Mit echtem Austausch, Perspektivenvielfalt und strategischem Tiefgang. Wenn du in einer Bank für (Teile der) Kundenberatung verantwortlich bist: BRAVE ist deine Community. Auf der Community-Seite von BRAVE kannst du dich bereits jetzt für die nächste Durchführung registrieren.

Welche Einflussfaktoren werden die Kundenberatung der Zukunft bestimmen?

Schon das Warm-up wirft eine ganze Bandbreite an menschlichen, organisatorischen, aber auch technischen Einflussgrössen auf, denen die Teilnehmenden bei der Zukunft der Kundenberatung eine besondere Bedeutung beimessen.

Die Kundschaft verändert sich – schnell. Erwartungshaltungen an Geschwindigkeit, Personalisierung und Erlebnis steigen. Standardlösungen werden immer weniger akzeptiert. Allein Zeit als die knappste Ressource der Kundschaft zwingt zur Veränderung von Beratungsphilosophien, Gesprächsvorgehen und Betreuungskonzepten. Wenn Menschen sich immer weniger Zeit für Beratung nehmen, verändert das die Erwartungen und Formate radikal. Neben dem sind unsere Teilnehmenden aber überzeugt, dass die Beratungsperson zentral bleibt. Aber: Wer Beratung gestaltet, muss Technologie verstehen und nutzen – empathisch, effizient und verantwortungsbewusst. Das beinhaltet einen hohen Lernaufwand und vielleicht sogar andere Menschen als heute.

Das macht Change Management zur Überlebensfrage. Organisationen müssen Wandel nicht nur planen, sondern ihn aktiv und kontinuierlich gestalten. Es bleibt ein weiterhin unterschätzter Bestandteil bei der Veränderung und Weiterentwicklung der Kundenberatung. Dabei ist Organisation das Schicksal. Strukturprobleme und Silodenken bremsen viele Banken aus, wenn es um Veränderung und digitale Transformation geht, so die Teilnehmer:innen. Und allein die Komplexität und Menge der Veränderungen droht, manche Organisation zu überfordern – hier braucht es Orientierung und Priorisierung.

Als technische Dimension haben die Teilnehmenden die Künstliche Intelligenz sofort auf der Zunge: Generative KI in der Beratung ist (kurz vor der) Realität. Ob beim Vorbereiten von Gesprächen, im Dialog oder zur Nachbereitung – hier entstehen neue Standards und Chancen. Allerdings seien traditionelle Banken zu zurückhaltend. Viele Innovationspotenziale bleiben ungenutzt, vor allem im Bereich datengetriebener Beratung. Zudem: Der Wettbewerb schläft nicht. Kleine, schnellere Anbieter setzen die etablierten Banken unter Innovationsdruck – mit oft smarteren, einfacheren Lösungen. Dabei sind Tools und Technologien nicht neutral, weder prozess- noch ergebnisneutral. Da Tools häufig technologiegetrieben und nicht anforderungsgetrieben entstehen und eingeführt werden, verändert ihr Einsatz die Beratung, ohne dass die Folgen vollständig absehbar sind – je nachdem, wie kompetent und sensibel die Tools eingesetzt werden.

Schliesslich wäre da der Regulator. Er wird noch stärker prägender Akteur, gemäss unserer Teilnehmenden. Aber gesetzliche Rahmenbedingungen sind nicht nur Hürde, sondern auch Richtungssignal – sie sollten frühzeitig in Innovationsprozesse eingebunden werden. Und wie wir wissen, passen für viele Regulatorien und Innovation aus der Sicht von Produktteams nicht in den gleichen Satz.

Einblick in den Trendradar: Welche Entwicklungen werden den grössten Einfluss auf die Kundenberatung der Zukunft haben?

Als Community-Initiatoren haben wir uns das Ziel gesetzt, einen Trendradar zu den wichtigsten Entwicklungen in der Kundenberatung für Banken, Versicherungen und Energieunternehmen zu erstellen, diesen durch Zukunftsszenarien weiterzuentwickeln und eine Gesamttrendstudie zur Zukunft der Kundenberatung mit der BRAVE-Community zu erarbeiten. Die Trendstudie soll ein Referenzpunkt für alle werden, die Kundenberatung weiterentwickeln wollen. Damit können sie Varianten der Zukunft alternieren und sich mehr der Wünschbarkeit einer Zukunft widmen und vom Reagieren ins Gestalten kommen.

Der Trendradar erfasst die sich in Megatrends bildenden sogenannten Makrotrends, die wir auch Innovationsfelder nennen. Während sich Megatrends über Jahrzehnte halten und weiterentwickeln, sind die Innovationsfelder konkreter und damit greifbarer für die aktive Arbeit mit ihnen. Mit einer Vorpriorisierung auf unserer Erfahrung durften wir Trends mit Vertreter:innen der BRAVE-Community bereits bewerten in den Dimensionen Wichtigkeit für die Einzelperson und Relevanz für die Bank. Das Ergebnis sind zentrale Fokusfelder, denen besondere Bedeutung beigemessen wird. Themen wie Digital Literacy, AI Assistenz und Omnichannel Performance gewinnen das Rennen um Wichtigkeit und Relevanz. Dahingegen sehen die Verantwortlichen in Banken insbesondere Themen wie das Metaverse und Augmented, Mixed und Virtual Reality als die Verlierer beim Lauf auf die Relevanz für Banken.

Für die Kundenberatung relevante Megatrends, dargestellt in Blasen. Dazugehörige Makrotrends sind mengenmässig dargestellt und in drei Zeithorizonte eingeteilt: Act, Prepare und Watch.

Ergänzend zu dieser Einschätzung der Innovationsfelder und Fokusthemen erstellen wir für die Trendstudie eine Matrix der Schlüsselfaktoren der zukünftigen Entwicklungen für die Kundenberatung. Solche Schlüsselfaktoren können ein Spektrum aufspannen und je nach Ausprägung eine mögliche Zukunft anders beeinflussen. Die wichtigsten vier Schlüsselfaktoren sind die Kernunsicherheiten der Kundenberatung, deren Einfluss hoch oder extrem sein wird und damit entscheidend für strategische Überlegungen sind:

  • Regulatorische Vorgaben: Sie können sich sehr restriktiv entwickeln oder innovationsfreundlich.
  • Kundenpräferenzen: Abhängig von vielen Faktoren unserer Umwelt und unseres Umfeldes in Markt, Region und Strukturen können sich die Beratungskontakte mehr in Richtung persönlicher Kontakte bewegen (bzw. dort bleiben) oder stärker digital werden.
  • Führungskompetenz: Sie ist der Hebel, der bestimmt, ob ein Zukunftsszenario mit transformativem Ansatz Realität wird und Unternehmen Technologien sowie Prozess- und Organisationsinnovationen nutzen, um Geschäftsmodelle radikal zu verändern, um Marktführer zu werden oder ob konservative Modelle dominieren und der Fokus auf der Erfüllung grundlegender Anforderungen (Regulatorische Vorgaben oder Kosteneffizienz) liegt.
  • Ambiente und immersive Technologien: Werden Technologien mit stärkerer Sensorik, die in unserer Umwelt weniger sichtbar werden eine Nischenerscheinung bleiben oder auf breite Akzeptanz stossen?

Schlüsselfaktoren für die Zukunft der Kundenberatung. Insgesamt vier Schlüsselfaktoren sind jeweils mit ihren Extremausprägungen in einer Kachel dargestellt. Die Faktoren sind: Regulatorische Vorgaben, Kundenpräferenzen, Führungskompetenz sowie ambiente und immersive Technologien

Mit der Einschätzung der Teilnehmenden zu den Trends sowie den Kernunsicherheiten bildeten wir nun Szenarien über die 3 Zeithorizonte «Act», «Prepare» und «Watch», also Szenarien der nahen Zukunft von heute bis in 4 Jahren, in 4-8 Jahren und in 8-10 Jahren. Aus insgesamt 12 Szenarien haben wir für den Workshop 3 ausgewählt, die wir mit den Teilnehmenden besprochen haben.

Evaluation der Zukunftsszenarien

In Rahmen eines World Café diskutierten die Teilnehmenden die Zukunft von Lea, Mila und Anna. Uns interessierte besonders:

  • Wollt ihr in dieser Welt leben?
  • Was sollte man heute tun, um das Szenario zu erreichen oder zu vermeiden?
  • Was fällt euch darüber hinaus zur Geschichte ein?

Zukunftsszenarien für die Kundenberatung

Es ist 2028. Lea ist 34 und Gründerin eines Startups. Sie managt ihre Liquidität aktiv mit Hilfe ihrer Bank. Die Geschichte erzählt konkret, was Lea passiert und was sie tut unter folgenden Bedingungen:

  • Regulatorische Vorgaben: Restriktiv
  • Kundenpräferenz: Digital
  • Führungskompetenz: Standardisiert, Fokus auf Effizienz innerhalb regulatorischer Grenzen
  • Ambiente und immersive Technologien: Minimaler Einsatz, vor allem für Automatisierung und Datensicherheit

Es ist 2032. Mila, 18 Jahre alt. Sie nutzt eine Life Management App, die Finanzen, Wohnsituation, Mobilität, Gesundheit und Behördenkontakte integriert. Die Beratungsperson von Mila verfügt über einen Avatar, der Mila auch zur Verfügung steht, wenn die persönliche Beratungsperson nicht verfügbar ist. Die Geschichte von Mila berücksichtigt folgende Bedingungen:

  • Regulatorische Vorgaben: Innovationsfreundlich
  • Kundenpräferenz: Persönlich
  • Führungskompetenz: Transformative Führung ermöglicht es Unternehmen, Innovationen gezielt einzusetzen, um Berater zu stärken.
  • Ambiente und immersive Technologien: Wirken unterstützend und schaffen intelligente, datengesteuerte Umgebungen für persönliche Beratung.

Es ist 2035. Anna ist 30 Jahre alt. Sie nutzt ihre persönliche Plattform seit mehreren Jahren aktiv zur Lebensorganisation – integriert sind Gesundheitsservices, lokale Energiekooperative, mehrere Finanzanbieter, eine Mikroversicherung und ein Betreuungsnetzwerk. Ihre Geschichte beruht auf folgenden Rahmenbedingungen:

  • Regulatorische Vorgaben: Restriktiv
  • Kundenpräferenz: Persönlich
  • Führungskompetenz: Standardisiert, Fokus liegt auf Compliance und Kosteneffizienz
  • Ambiente und immersive Technologien: Eingeschränkter Einsatz, hauptsächlich zur Unterstützung persönlicher Beratung

Für die ausführlichen Geschichten von Lea, Mila und Anna müsst ihr euch noch bis zur Veröffentlichung der Trendstudie gedulden. Diese sind bis dahin nur den Teilnehmenden zugänglich 😊 Willst du Bescheid wissen, wann es soweit ist, folge uns auf LinkedIn oder registriere dich für das nächste BRAVE-Community-Treffen.

Wie schätzen die Teilnehmenden von BRAVE die Szenarien ein?

Leas Geschichte (Act-Szenario) können die Teilnehmenden gut nachvollziehen. Die Konsequenz, dass sich die Kundenpräferenz Richtung «digital» bewegt, sorgt für viel Gesprächsstoff, auch nach dem World Café. Lea wird dadurch nur noch maximal 20 Minuten Zeit für ein persönliches Gespräch haben. Dafür sind Fachthemen und Beratungsinhalte heute nicht vorbereitet. Die Teilnehmenden fragen deshalb: «geht das seriös?» Die Mehrheit findet aber, dass die beschriebene Welt durchaus eine wünschbare Zukunft beschreibt, wofür es sich lohnt, die Aufräumarbeiten bei Daten und Integration fortzusetzen.

Milas Geschichte (Prepare-Szenario) enthält mit dem Life-Management-System einen Ökosystem-Charakter, der über Finanzthemen deutlich hinaus geht und fühlt sich für einen Teil unserer Teilnehmenden besonders wünschenswert an. Es kapselt wesentliche Aspekte des Lebens, die in «administrative» Kategorien fallen. Mit einem persönlichen Avatar der Beratungsperson wird Beratung 7×24 Stunden verfügbar, soweit die Vorteile. Nachteile können sein, dass Beratungspersonen von ihrem professionellen «Ich» möglicherweise keine Kopie akzeptieren (Avatar) und die Vorstellung einer «Alles»-App für uns in Europa noch schwierig ist (Beispiele aus Asien gibt es ja bereits).

Annas Geschichte (Watch-Szenario) reduziert die Beratung auf technische Integrationsberatung, was unsere Teilnehmenden polarisiert. Zum einen fühlt sich diese Zukunft sehr angenehm an. Denn Anna sendet ihre Agenten für die Organisation des Lebens selbst aus und entscheidet mit Meta-Informationen über Interoperabilität und das effektive Monitoring eines nachhaltigen und integren Wirtschaftsverhaltens, welche Unternehmen durch ihre Agenten «angeflogen» werden. Andererseits sehen unsere Teilnehmenden den Zweck der Beratung nicht mehr. Die Beratungsperson als Entscheidungsunterstützer und Fachspezialist gibt es nicht mehr. Das wirft auch die Frage auf, ob viel Geld nicht trotzdem danach verlangt, dass Menschen mehr inhaltlich verstehen wollen. Das Szenario setze demnach eine kaum machbare Financial Literacy der Kundschaft voraus.

Wie geht es nun weiter?

Wir verfeinern die Szenarien für kommende Workshopformate und werden die Trendstudie durch die Erkenntnisse ergänzen. Wenn du erfahren willst, was sonst noch Ergebnisse sind, wie die Geschichten der weiteren Szenarien aussehen und wie du sie einsetzen kannst, um deine Bank zu inspirieren, dann werde Teil der BRAVE-Community. Denn diese ist natürlich die erste, die alles frisch ab Presse erfährt 😉

Der BRAVE-Event im Juni hat uns eines wieder deutlich gezeigt: Wer die Zukunft der Kundenberatung gestalten will, muss mutig sein. Mutig, Technologie klug einzusetzen. Und mutig, Altes zu hinterfragen – nicht um jeden Preis zu disruptieren, sondern um echten Mehrwert für Menschen zu schaffen. Darauf freuen wir uns!

Herzlichen Dank, liebe BRAVE-Community.

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