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Wie Düfte das Kundenerlebnis beeinflussen (Teil 2)

Unser evux Lab-Projekt zur olfaktorischen Wahrnehmung geht weiter! Im ersten Halbjahr tauchten wir in die Welt der Düfte ein, produzierten Duftkassetten mit «Scratch-and-Sniff»-Stickern und erstellten das Studiendesign. Lies hier Teil 1 dufter Kundenerlebnisse. Im Sommer erhielten wir die Chance, bei einer Schweizer Bank eine Feldstudie durchzuführen und umfassende Erkenntnisse zu gewinnen.

Mithilfe unserer Duftkassette haben wir den Einfluss von Gerüchen als Geruchssequenz auf das Kundenerlebnis in einer Bankfiliale untersucht. Ziel der Studie war es, die Smell & Paste Methode sowie unsere Dufthypothese zu testen. Unser Fazit:

  • Der Einsatz von Düften im Bankkundenerlebnis hat Potenzial, aber auch Tücken.
  • Die Duftkassette funktioniert und lässt sich einfach für olfaktorisches Low-Fi Prototyping einsetzen.

Düfte entlang der Customer Journey platziert

Nach einer ersten Besichtigung der Geschäftsstelle haben wir den Laufweg definiert. Die Hypothese, welchen Duft wir in welchem Bereich testen möchten, hatten wir vorgängig aufgestellt. Für diese Geschäftsstelle ergab sich schlussendlich eine Sequenz mit vier Düften:

  • Eukalyptus – am Bankomaten
  • Zitrone – beim Empfang
  • Leder – im Wartebereich
  • Blutorange – im Beratungszimmer

Um die Frische der Düfte sicherzustellen und eine Vermischung zu verhindern, haben wir für jede Testperson ein eigenes “Duftband” vorbereitet. Zwischen den Durchläufen haben wir das alte Band aus der Kassette entfernt und ein neues aufgerollt (eben wie bei den guten alten Kompaktkassetten 😉).

Da es sich um ein Band aus Papier handelt, auf das die Scratch-and-Sniff Sticker geklebt werden, können Gesamtlänge und Abstand zwischen den Stickern flexibel angepasst werden. Ausserdem lässt sich das Band beschriften. Super, denn dadurch wussten die Teilnehmenden, wann der nächste Duft anfängt. Am Schluss jedes Papierbandes haben wir für unsere Testpersonen ein kleines Dankeschön auf das Band geschrieben.

Das duftende Band beschriftet mit den verschiedenen Bereichen einer Bankfiliale.

Das duftende Band beschriftet mit den verschiedenen Bereichen einer Bankfiliale.

Subjektive und objektive Daten

Dann war es endlich soweit. Wir sind raus ins Feld und haben fleissig Daten gesammelt. Wir konnten mit insgesamt fünf Teilnehmenden testen. Jede Person ist einmal mit und einmal ohne Kassette durch die Geschäftsstelle gelaufen. Die Reihenfolge haben wir dabei randomisiert, d.h. einige Teilnehmende sind zuerst mit der Kassette losgegangen, andere ohne. In jedem Bereich haben wir den Testpersonen ein Szenario beschrieben und ihnen einige Fragen gestellt. Dabei beobachteten wir ihr Verhalten und ihre Reaktionen. Nach jedem Durchlauf füllten die Teilnehmenden einen standardisierten Fragebogen aus.

Für die Erstellung des Fragebogens haben wir uns am User Experience Questionnaire (UEQ) orientiert. Der UEQ ist ein wissenschaftlicher, standardisierter Fragebogen zur Messung der User Experience von Produkten, Apps oder Services. Er erfasst, wie Nutzende ein Produkt erleben. Der Fragebogen besteht im Original aus 26 Gegensatzpaaren, die auf einer 7-stufigen Skala bewertet werden.

Diese Paare sind sechs Dimensionen zugeordnet:

  • Attraktivität
  • Durchschaubarkeit
  • Effizienz
  • Steuerbarkeit
  • Stimulation
  • Originalität

In unserem Fall liessen sich nicht alle Dimensionen erheben, deshalb haben wir den Fragebogen gekürzt. Durchschaubarkeit und Effizienz wurden nicht abgefragt. Da die Stichprobe relativ klein ist, sind die UEQ-Ergebnisse als Indikator zu werten. Unsere qualitativen Daten stüzen jedoch die Resultate aus dem Fragebogen.

Das Potenzial von Düften im Bankkundenerlebnis

  • Die Düfte bewerteten die Teilnehmenden subjektiv als einladend, vertrauenserweckend, erfrischend, belebend, aber auch entspannend.
  • Der Einsatz von Düften verengte den Wahrnehmungsradius. Das führte dazu, dass die Teilnehmenden fokussierter auf die Situation und weniger von der Umgebung beeinflusst waren.
  • Die Idee, ein Dufterlebnis in einer Bankfiliale zu schaffen, wurde als interessant und anregend wahrgenommen. Dies spiegelt sich auch in den Daten aus dem Fragebogen wider: Düfte hatten einen positiven Einfluss auf die UEQ-Dimensionen Stimulation und Originalität.

Die Tücken von Düften im Bankkundenerlebnis

  • Es gilt das Prinzip «weniger ist mehr». Einige Teilnehmende empfanden die Anzahl der verschiedenen Düfte als zu viel. Auch auf multisensorischer Ebene gilt es eine Überstimulation der Sinne zu verhindern. Die Hintergrundmusik im Wartebereich wurde zum Beispiel von einzelnen Teilnehmenden im Zusammenhang mit dem Duft eher als Reizüberflutung empfunden.
  • Assoziationen, persönliche Präferenzen oder zu intensive Duftnoten können das Erlebnis negativ beeinflussen.
  • Die UEQ-Dimension «Steuerbarkeit» fiel beim Durchgang mit der Duftkassette tiefer aus. Dies kann verschiedene Gründe haben. Die Teilnehmenden hatten keinen Einfluss darauf, welcher Duft eingesetzt wird. Ausserdem wurde ihnen nicht explizit gesagt, um welchen Duft es sich in einem Bereich konkret handelt. Transparenz über den Einsatz von Gerüchen spielt daher eine wichtige Rolle.

Dank unserer Studie wissen wir nun, wie sich negative Effekte gezielt steuern und mildern lassen.

Unsere Learnings zur Duftkassette

  • Die Kassette ist replizierbar und im Bankenkontext einsetzbar.
  • Das Handling bereitete den Teilnehmenden kaum Schwierigkeiten. Nur das Drehen am Rad, welches das Band weiter abrollt, wurde vereinzelt bemängelt. Obwohl der 3D-Druck relativ robust ist, passen die einzelnen Teile nicht nahtlos ineinander. Im Verlauf der Feldstudie haben wir die Teile deshalb mithilfe von transparentem Klebeband verbunden.
  • Wir konnten unterschiedliche Verhaltensweisen beobachten. So haben einige Teilnehmende zum Beispiel eine wedelnde Bewegung mit der Kassette gemacht. Andere hielten die Kassette dicht unter die Nase, haben eingeatmet und die Kassette dann wieder weit von der Nase entfernt. Die Intensität wurde dadurch unbewusst ein Stück weit gesteuert.
  • Obwohl wir für jeden Durchlauf ein frisches Band verwendet haben, können Geruchs-sensible Menschen im Verlauf der Sequenz eine Vermischung der Düfte wahrnehmen.
  • Die synthetischen Düfte der «Scratch-and-Sniff»-Sticker wurden als zu künstlich empfunden. Aufgrund der Zersetzungsgefahr des Plastiks des 3D-Drucks mussten wir auf den Einsatz von ätherischen Ölen verzichten, auch wenn diese einem natürlichen Duft näher kommen.
  • Die Sticker kleben teilweise zu wenig stark am Papierband. Durch das Aufrollen entsteht eine Rundung und man muss aufpassen, dass sich die Ecken der Sticker nicht lösen. Dies erachten wir als einen Nachteil der Smell & Paste Methode.
Unsere beschrifteten Duftkassetten und weitere Duftbänder für das Testing.

Unsere beschrifteten Duftkassetten und weitere Duftbänder für das Testing.

Wie geht es weiter?

Ein Grundprinzip des evux Lab ist der Spassfaktor. Und dieses Projekt hat uns sehr viel Freude bereitet. Wir haben unsere Ergebnisse sowie Handlungsempfehlungen (wir sind ja schliesslich Consultants) mit der Bank geteilt, die uns diese Feldstudie überhaupt erst ermöglicht hat. Und unsere Begeisterung für das Thema war ansteckend.

Im Rahmen einer Bachelorarbeit wird das erweiterte Kundenerlebnis durch olfaktorische Reize nun weiter untersucht. Wir sind schon gespannt darauf!

Wir könnten uns vorstellen, dass in der Bankfiliale der Zukunft eine Auswahl an Düften für das Beratungszimmer zur Verfügung steht. Vereinbart man einen Termin, kann man bereits online wählen, wonach der Raum riechen soll. Das wäre doch was, oder?

Terminvereinbarung mit Duftauswahl

Terminvereinbarung mit Duftauswahl

 

Quellen:
Jas Brooks and Pedro Lopes. 2023. “Smell & Paste: Low-Fidelity Prototyping for Olfactory Experiences.” In Proceedings of the 2023 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (CHI ’23). Association for Computing Machinery, New York, NY, USA. DOI:10.1145/3544548.3580680

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