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«Blutsauger» Digitalisierungsvorhaben? Was kann ich als KMU berücksichtigen?

Aus meiner täglichen Arbeit mit Unternehmen von mittelständisch bis gross in unterschiedlichsten Rollen kann ich bereits hier am Anfang des Artikels sagen: Bei der Digitalisierung scheitert es selten an der Technik. Vor einem neuen Onlinebereich mit Shop, Portal, diversen Apps für Kunden und Aussendienstler, sogar Individualentwicklungen, künstlicher Intelligenz, Machine Learning und Bots braucht kein Unternehmen Angst haben. Die gruseligen Geschichten passieren auf dem Weg der Realisierung oder nach der Einführung in der Organisation, selten in der Technik.

Wenn ein grosses Unternehmen entscheidet, etwas Neues im Digitalen zu machen, einen bisher manuellen Prozess zu automatisieren zum Beispiel, dann gibt es ein konzentriertes Projektteam, eine entsprechende Governance, viele Menschen, die Bescheid wissen und sogar bisweilen eine Unternehmenseinheit, die beim organisatorischen Change unterstützt.

Ein KMU hat das alles nicht oder nur in Ansätzen. Und doch können sich Digitalprojekte so gestalten lassen, dass eine KMU es «verkraftet». Aber das Wort verkraften lässt sich ohne Kraft nicht schreiben. Lasst uns zuerst die drei Stolpersteine anschauen, warum sie Stolpersteine sind und schliesslich wie wir das lösen können. Die drei Stolpersteine sind namentlich drei Überzeugungen des Unternehmens, die einiges an Schlussfolgerungen verursachen, die in der Umsetzung oder bei der Einführung Schwierigkeiten verursachen.

  • Überzeugung 1: «Der Dienstleister macht das schon.»
  • Überzeugung 2: «Bei Digitalisierung geht es nur um Technik.»
  • Überzeugung 3: «Digitalisierungsprojekte sind neu, deshalb dürfen sie «Black Boxes» sein.»

Überzeugung 1: Der Dienstleister macht das schon

Verfolget ihr als KMU diese Einstellung, delegieret ihr das gesamte Thema «Digitalisierung» oder «Digitalisierung von Prozess X» an einen Dienstleister. Dahinter stecken mehrere an einander gekoppelte Entscheide. Einerseits habt ihr euch dafür entschieden, die Digitalisierung in die Hände eines Generalisten zu geben, der das gesamte «Problem» löst. Ausserdem erhofft ihr euch vermutlich, dass der Dienstleister sich erst wieder meldet, wenn der Prozess schlüsselfertig ausgeliefert werden kann.

Warum ist das ein Problem?

Den Frieden, den ihr euch als KMU so für die Laufzeit des Projekts einkauft, werdet ihr später teuer bezahlen. So erlebet ihr das Erwachen: der alte Prozess wird abgestellt, der neue ist live. Die ersten Reklamationen oder Stornos im Shop laufen durch. Der erste Sonderfall taucht auf. Und jetzt reagiert die KMU wie ein Organismus, der die Inkubationszeit der Erkältung hinter sich hat – sie fängt an zu niesen. Alle überhörten oder vorher ungefragten Stimmen verteufeln das Neue, weil das ja «nie funktioniert». Die Überraschung darüber, dass es den neuen Ablauf hat, ist so gross, dass der Nutzen gar nicht erkennbar ist. Diese Reaktion hat übrigens nichts mit der Güte des neuen Prozesses zu tun.

Aber wie soll der Dienstleister ohne eure Zuarbeit den heutigen Prozess untersuchen, verstehen, was ihn heute ausmacht und ob augenscheinlich komplizierte Subprozesse notwendig oder Verschwendung sind? Denn immer, wenn wir einen «alten» Prozess anpacken, sollten wir auch die Gelegenheit nutzen, diesen zu verbessern, zu verschlanken und alte Zöpfe abzuschneiden. Das geht aber nur durch eine intensive Auseinandersetzung innerhalb des Unternehmens. Die Mitarbeitenden müssen den neuen Prozess akzeptieren können. Dazu gehört, dass sie am neuen Ergebnis mitarbeiten. Vor allem, wenn die Digitalisierung in ihren Augen ihre Jobs gefährdet. Das ist der eine Teil von «der Dienstleister macht das schon».

Alles aus einer Hand

Teil zwei dieser Überzeugung betrifft den Entscheid für «Alles aus einer Hand» beziehungsweise den Generalisten. Als KMU ist es nicht zwingend, dass ausreichend Know-how in der Organisation vorhanden ist, so ein Digitalisierungsvorhaben und die darin vorhandenen Aufgaben zu verstehen. Genau das wäre allerdings notwendig, wenn der Gesamtauftrag an einen Partner geht, weil sich die KMU sonst ausliefert. In der Regel vertrauen die Mittelständler auf einen internen IT-Leiter (oder CIO). Aber auch dieser führt ein solches Projekt nicht als sein Tagesgeschäft ständig durch und die Erfahrung mit solchen Vorhaben ist begrenzt.

Es genügt auch nicht, das Vorhaben aus der IT-Optik zu sichern. Verkauf, Kundendienst und Marketing beispielsweise werden am zu digitalisierenden Prozess mitreden (wollen). Um den Prozess umfassend zu beleuchten, wird der Generalist mit der Softwareentwicklung auch das grafische Design, die Prozessanalyse, SEO-Optimierung, vielleicht sogar die Vermarktung und ein Refresh des Brandings neben der eigentlichen Umsetzung anbieten. Weiter kommen Wartung und Lizensierung möglicher eingekaufter Standardsoftwareteile dazu. Ihr reduziert dabei aber keinesfalls das inhaltliche Risiko, dass der Partner eure Unternehmung womöglich nicht richtig versteht oder vielleicht doch nur die Softwareentwicklung wirklich als Kernkompetenz gut kann. Das Inhaltsrisiko wird schlicht zum Vertragsrisiko. Damit meine ich: Mit einzelnen Spezialisten geht ihr das Risiko ein, einen höheren Koordinationsaufwand zu haben.

Mit einem Full-Service-Anbieter nimmt man nun an, dass klarer ist, wer nachbessern muss, wenn etwas nicht stimmt. Das allerdings ist ein Trugschluss. Vertuschen und Kaschieren geht leichter als in einem Anbieternetzwerk, in dem sich Spezialisten gegenseitig challengen. Und es bleibt trotzdem das Risiko, dass bestimmte Fachkompetenzen nicht die gleiche Qualität wie der Rest aufweisen. So kann die Softwarequalität ausgezeichnet sein, die Prozessanalyse jedoch sehr oberflächlich. Dann könnt ihr wegen der Gesamthaftung vertraglich auf Nachbesserung beharren, werdet unter Umständen aber trotzdem genug Schaden mitziehen.

Wie können wir das lösen?

Viele Wege führen nach Rom, hat mal jemand Kluges gesagt. Es gibt hier keinen klaren Königsweg. Dennoch hat sich für mich gezeigt, dass folgende Aspekte hilfreich sind, zum Erfolg eines Digitalisierungsprojektes oder eines digitalen Produktes beizutragen. Hierbei geht es in allen Punkten um Risikoabwägungen für Unternehmen, Projekt und Produkt.

An einem Digitalisierungsprojekt sind sehr viele Fachkompetenzen beteiligt. Diese müssen allesamt orchestriert werden. Als Teilnehmende in Anbieternetzwerken haben wir die besten Erfahrungen gemacht, wenn ein professioneller, externer Projektleiter, der weder zum Umsetzungsunternehmen noch zum Konzept- oder Brandingunternehmen gehört, das Ruder in die Hand nimmt. Idealerweise bringt dieser noch Know-how in Business- und Prozessanalyse mit und kann so das Projekt auch inhaltlich unterstützen. Er wird die beteiligten Partner fordern und kann neutral die Aufgabenerfüllung der Dienstleister beurteilen, ohne in innenpolitische Ränke verwickelt zu werden.

Rechnet damit, dass ihr eine den Dienstleistern äquivalente Projektorganisation zur Verfügung stellen müsst und den darin genannten Personen die Zeit geben müsst, am Vorhaben mitzuarbeiten. D.h. ihr benötigt Verantwortliche für Inhalte, die betroffenen Unternehmensbereiche und Wissensträger in einer Projektorganisation, die den Dienstleistern bekannt und zugänglich sind. Euer interner Projektleiter rapportiert dann gemeinsam mit den Projektleitern der Anbieter an die Geschäftsleitung oder an eine autorisierte Steuerungsgruppe.

Full-Service oder Spezialistenbeauftragung?

Da ich aus eigener Erfahrung nur die Full-Service-Anbieter kennenlerne, wenn etwas im Konzept oder Design so schief gegangen ist, dass es den Spezialisten wie uns brauchte, bin ich da vermutlich befangen. Beim Entscheid darüber geht es jedoch in jedem Fall viel um Vertrauen, deshalb solltet ihr sicherstellen, wenn ein Full-Service-Anbieter sich bei euch vorstellt, dass er euch folgende Fragen beantwortet:

  • Wer wird wirklich das Projekt durchführen? Lernt den ständigen Ansprechpartner/Projektleiter des Anbieters kennen. Oft stellen vor allem grössere Unternehmen im Pitch ihre Top-Shots vor, die dann im Projekt durch Juniors ersetzt werden.
  • Gibt es Subunternehmer oder Freelancer im Projekt? Über welche Referenzen verfügen diese und haben sie bereits mit dem Anbieter gearbeitet?
  • Wer waren die letzten 2-3 Ansprechpartner der Kunden des Anbieters? Was berichten diese Personen über den Anbieter? Ein Telefonat mit solchen Personen kann bisweilen recht erhellend sein. Natürlich wird der Anbieter Personen nennen, die ihnen sehr zugetan sind, aber dennoch lassen sich interessante Aspekte finden, wenn Sie zum Beispiel diese drei Fragen stellen:
    • Wie zufrieden wart ihr insgesamt mit dem Anbieter und mit dem Projekt (zwischen beidem ist oft ein Unterschied)?
    • Was hat euch besonders gut gefallen?
    • Was hat euch gestresst in der Zusammenarbeit?

Die Spezialistenbeauftragung verlangt von euch sicher mehr direkte Koordination. Diese wiederum könnt ihr mit einem externen Projektleiter reduzieren. Da aber in der Regel alle ihre Aufgabe so gut wie möglich erfüllen wollen, werden die Partner sehr fruchtbare Diskussionen über Risiken und das beste für euch als gemeinsamen Kunden haben. Wir machen hier regelmässig sehr gute Erfahrungen mit Umsetzungsfirmen, die verstehen, dass unsere Überlegungen auf der Benutzeroberfläche auch ihre Software besser machen. Und wir sind sehr empfänglich für die Diskussionen, in denen es darum geht, nur wenig an der Oberfläche zu ändern, dabei aber rechten Entwicklungsaufwand zu sparen oder Performance- oder Sicherheitsrisiken zu reduzieren.

Überzeugung 2: Bei Digitalisierung geht es nur um Technik

Schön wär’s! Diese Überzeugung verursacht, dass alles, was neben dem «Bau der Software» passiert, ausgeblendet wird. Eigentlich ist dann jedes Ergebnis der Umsetzung ein Rohrkrepierer. Wie soll ein Mehrwert in der Organisation passieren, wenn die Menschen gar nicht wissen, was da technisch los ist? Aber was ich auch sagen muss: manchmal geht es wirklich um Technik. Das Kunden- und Nutzererlebnis wird bereits durch die Wahl der Systemarchitektur und der Offenheit der Systeme (Schnittstellen) grundlegend bestimmt. Verstaubte, monolithische Architekturen reduzieren die Freiheitsgrade an der Oberfläche, also da wo eure Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden auf den Prozess oder die Software zugreifen.

Hier können aber Experten helfen, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten noch bleiben neben den gesetzten Entscheiden, die es bereits gibt. Das Thema ist zwar bisweilen da, kann aber viel schneller gelöst werden als der menschliche Anteil an der Digitalisierung. Auf einer Konferenz habe ich mal aufgeschnappt: Digitalisierung ist 5% Technik und 95% Transformation. Und das hat was!

Warum ist das ein Problem?

Die Transformation, um die es mir mehr geht, weil sie sensibel auch im KMU betrachtet werden muss, setzt sich dabei aus vielen Aspekten zusammen. Nur einige lauten:

  • Ängste der Mitarbeitenden, nicht mehr gebraucht zu werden
  • Schlichte Unsicherheit, was wohl als nächstes kommt, die die psychische Unversehrtheit der Mitarbeiter beeinflusst und ihnen geistige Kapazität abzieht (wenn ihr nicht gut informiert, wird die Organisation ineffizienter)
  • Geänderte Arbeitsabläufe, veränderte Tätigkeits- und Berufsfelder, an die es sich zu gewöhnen gilt, die gelernt und geübt werden müssen
  • Überwachbarkeit, neue Transparenz und Messbarkeit von vorher intuitiven Prozessen und die damit verbundene Abwehrhaltung
  • Überhöhung der Technologie und Herabsetzen der Mitarbeitenden und das Versäumen der Führung, mit gutem Vorbild und Motivation voran zu gehen
  • Tal der Tränen: Es wird schlimmer, bevor es besser wird

Wie lösen wir das Transformationsproblem?

Auch wenn Change Management vielleicht aufwändig klingt oder danach, dass das nur grosse Unternehmen brauchen, riskier ich es trotzdem: Kümmert euch um den Wandel und nehmt die Stimmung und die Gründe dafür auf. Überlegt euch die Nachrichten, die ihr senden wollt und welche eben genau nicht. Ein guter Ansatz, der sich auch hervorragend mit den Methoden von User-Experience- und Customer-Experience-Spezialisten verheiraten lässt, ist das Lean Change Management. Als Frühwarnsystem lassen sich so Tests mit Nutzenden des neuen Prozesses oder eines neuen Systems mit der Aufmerksamkeit auf niederschwellige Bedenken kombinieren. Wir können damit sehr früh im Entwicklungsprozess Hinweise auf Schwierigkeiten oder eine fehlende Nachricht identifizieren.

Ein Beispiel: In einem mittelständischen Unternehmen sollte eine neue Website mit komplett neuem Aufbau und erhöhter Aktualität der Inhalte entstehen. Statt der alten Wissensvermittlung zu relativ stabilen Themen sollten also neu zum Beispiel täglich News aufgeschaltet werden. Die Marketingkommunikation bestehend aus 4 Personen – auch zuständig für Drucksachen, Events und Messen – sah da einen nicht zu bewältigenden Mehraufwand vor sich als sie in einem Workshop den Prototyp der neuen Website beurteilten. Statt das zu ignorieren, haben wir untersucht, was die neue Gestaltung denn wirklich bedeutet und haben anhand der Inhaltsteile berechnet, wie viel Aufwand neu entsteht. Der Leiter Marketing des Unternehmens konnte damit die neu notwendigen Mitarbeitenden in der Geschäftsleitung beantragen und klar machen, wenn das Unternehmen den neuen Weg gehen will, dann braucht es eben auch Bewirtschaftung.

Ein toller Erfolg war dann, dass wirklich die zusätzlichen Personen rekrutiert werden durften. Selbstredend haben wir das mitgefeiert! Wichtig: Es stellte sich hier gar nicht erst Widerstand gegen die neue Gestaltung ein, da das Thema aufgenommen und untersucht wurde. Ein Geschäftsleitungsmitglied hat seine Verantwortung wahrgenommen, hat Kosten und Mehrwert seinen Kollegen in der Geschäftsleitung erklärt und konnte erfolgreich eine Neuorganisation des Themas erreichen.

Überzeugung 3: Digitalisierungsprojekte sind neu, deshalb dürfen sie «Black Boxes» sein.

«Was die da genau machen, weiss ich eh nicht» – diesen Ausspruch eines Geschäftsführers einer kleineren KMU höre ich noch heute im Innenohr, wenn ich Vorhaben sehe, in denen unstrukturiert von der Hand in den Mund teilinformiert wahnwitzige Entscheide gefällt werden.

Warum ist das ein Problem?

Wenn niemand in der Organisation weiss, was da eigentlich ab geht in den Projekten, ist das schon seltsam. Wenn ihr einen Verantwortlichen im Unternehmen fragt, was da wann passieren soll und er kann euch keine Idee von einem Projektplan zeigen oder mindestens aufzeichnen, sollten alle Alarmglocken läuten. Das ist normalerweise ein Indiz dafür, dass wirklich niemand weiss, was geht oder dass es einen Schattenverantwortlichen beim Dienstleister gibt.

Schatten-CIOs haben wir leider schon oft erlebt.

Durch den Betrieb verschiedener bestehender Systeme im Unternehmen, zum Beispiel ein Produktinformationssystem, das es schon seit ein paar Jahren gibt, trifft plötzlich der Ansprechpartner des Dienstleisters seit geraumer Zeit die eigentlichen IT-Entscheide und gar nicht mehr die interne IT. Das fällt uns eben dann auf, wenn wir mit frischer Wahrnehmung in die KMU kommen, intern nachfragen und als Antwort kommt: «Ja, da müssen wir diesen Dienstleister fragen, das weiss der.» Puh! Liebe KMUs, wollen Sie das wirklich? Falls ja, dann kommuniziert es bitte den neuen Anbietern, dass euer IT-Leiter nichts zu sagen hat, sondern der langjährige Lieferant. Und wenn sich das doof anfühlt, dann ändert das!

Wie hebeln wir das Black-Box-Problem aus?

Macht euch euer Vorhaben klar, in jeder Dimension. Menschen, Aufgaben und Ziele. Folgende Aufgaben müssen in jedem Vorhaben abgedeckt sein, es gibt sie immer. Wenn man sie nicht explizit wahrnimmt, entstehen die Ergebnisse eben implizit. Ihr könnt euch also beim Weglassen nur dafür entscheiden, euren Einfluss auf das Ergebnis zu reduzieren, nicht aber was den Aufwand betrifft. Dieser wird dann einfach später nachgeholt, wenn die impliziten Entscheide auf geringe Akzeptanz im Unternehmen stossen.

Vor der Umsetzung

  1. Projektplan, Vorgehensmodell, Organisationsmodell: Wasserfall oder agil, dazu gibt es viele Diskussionen. Letztlich ist es einfach gut, wenn ihr mit einer realistischen Planung startet, die zu eurem Unternehmen passt. Mir persönlich stellen sich die Nackenhaare auf, wenn Planlosigkeit mit der Ausrede «wir sind agil unterwegs» erklärt wird – aber genauso schlimm sind zentnerschwere Anforderungskataloge für so kleine Vorhaben wie Chatbots. Hier lohnt es sich, genau hinzuschauen, was wirklich auf das Problem passt und zu eurer Organisation – auch in Bezug auf das Tempo eures Unternehmens.
  2. Vision: Wohin soll es gehen? Was wollen wir erreichen? Idealerweise ist die Vision leicht kommunizierbar, klar und eindeutig für die gesamte Unternehmung und damit auch frei von Fachtermini und Jargon. Sie enthält je eine Nachricht für das Unternehmen, die Mitarbeitenden und auch für die Kundinnen und Kunden!
  3. Analyse und Konzept: Wie wollen wir das Ganze erreichen? Es gibt immer ein fachliches Konzept und ein technisches Konzept – letzteres nicht vergessen! Und trennt euch von diesen Sätzen: «Der neue Prozess kann mindestens das, was der alte kann» oder «Das haben wir schon immer so gemacht» – besonders diese verhindern, dass man Altes, das vielleicht mittlerweile schlecht ist, noch hinterfragt. Schatten-Excel oder organisatorisch nicht vorgesehene Vorgehensweisen (Workarounds) müssen schonungslos aufgedeckt werden. Sowohl technische als auch Fachkonzepte lassen sich mit geeigneten Mitteln testen, ohne dass bereits der Code mit voller Integration gebaut wurde.
  4. Inhaltskonzept: Womit füllen wir das Ganze ab? Bei Prozessen geht es hier um den Betriebsprozess, ein Konzept, wie alle Beteiligten informiert und ausgebildet werden. Wie wird festgestellt, dass eine prozessbeteiligte Person im Betrieb geliefert oder nicht geliefert hat, z.B. ein Logistikpartner? Bei Websites geht es hier um die redaktionellen Inhalte, welche das sind, wie diese sein sollen und welchen Regeln sie folgen. Bei Shops geht es um den Aufbau der Produktinformationen. Wie zum Beispiel läuft die Aufnahme eines neuen Produkts ab, wie die Anpassung?
  5. Inhaltserstellung: Also in die Hände gespuckt – und selbst wenn Inhalte bereits da sind, müssen sie vielleicht migriert werden. Je nach Umfeld kann nur wenig Inhalt technisch migriert werden und Mitarbeitende müssen vielleicht manuell eingreifen oder neue Inhalte erstellen.

Während bzw. nach der Umsetzung

  1. Umsetzung: Hierfür greifen Softwareentwickler und Programmierer in die Tasten. Zur Umsetzung gehört auch ein sophistiziertes Testing und ein technisches Einführungsdrehbuch, dass am Tag des GoLive auch alles geplant abläuft. Es gibt neben der technischen Umsetzung aber auch die fachliche Umsetzung. Diese setzt die neuen Prozesse, ggf. neue Organigramme, veränderte Governance und Vorgehensweisen in Kraft.
  2. Abnahme: Ist klar, wer im Unternehmen «ja» sagt und wer noch «nein» sagen darf? Sorgt dafür, dass diese Frage nicht erst geklärt wird, wenn Dienstleister auf das OK warten. Auch internen Mitarbeitenden am Vorhaben fehlt oft die Klarheit, warum kurz vor Schluss nun doch noch jemand Unerwartetes aus der Organisation reklamiert. Das führt uns übrigens auch zu Punkt 1. Grundsätzlich sind Digitalisierungsvorhaben aber ein rechter Kraftakt und das besonders, wenn es das erste Mal ist. Also macht nach der Abnahme eine Party! ?
  3. Überprüfung: Habt ihr an Analysemöglichkeiten gedacht? Wie verhalten sich nach einiger Zeit die Nutzenden und/oder die Prozessbeteiligten und Lieferanten? Konnten die Ziele aus der Vision erreicht werden? Was können wir verbessern? Hier gilt es einfach, neugierig zu sein. Nur so könnt ihr für die Weiterentwicklung lernen.
  4. Budgetierung der Weiterentwicklung: Nach dem Vorhaben ist vor dem Vorhaben. Das Nutzungserlebnis und vor allem das Kundenerlebnis nutzen sich ab. Selbst das beste Vorgehen kann es kaum aushebeln, dass die Erwartung der Nutzenden bzw. Kundinnen und Kunden sich verändert und anspruchsvoller wird. Mit den Möglichkeiten steigt eben auch der Appetit. Deshalb sind Budgets für die Weiterentwicklung vorzusehen. Wenn ihr nicht in die Weiterentwicklung investieren wollt, solltet ihr auch nicht in das Initialvorhaben investieren.

Mut haben und klein beginnen

Richtig erfolgreiche KMUs was Digitalisierung betrifft, gibt es bereits viele. Mindestens genauso viele, wenn nicht mehr, laufen erstmal ein-, zweimal an die Wand. Es gibt keinen Grund, dass das so ist. Habt Mut und startet klein, lernt als Unternehmen und werdet grösser im Vorhabensspektrum. Managt die Risiken der Vorhaben aktiv und fragt euch sehr gewissenhaft, was ihr selbst erledigen könnt und was ein oder mehrere Anbieter übernehmen. Oft ist es anfangs eine kleine Verbesserung durch Digitalisierung, die die digitale Transformation besser verkauft als viel Gerede darum, dass jetzt das ganze Unternehmen umgekrempelt werden muss.

Erstpublikation auf Büro Züri Blog

 

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